Der Süden Hamburgs strotz vor Kunstorten. Wir stellen hier einige vor …
Kunstverein Harburger Bahnhof

Der Kunstverein Harburger Bahnhof, gegründet 1999 von den ortsansässigen Künstlern Udo Dettmann und René Havekost mit großzügiger Unterstützung von Dr. Dieter Bobbert und Dr. Hanns Kippenberger, befindet sich direkt im Bahnhof Hamburg-Harburg über Gleis 3 & 4. In den eindrucksvollen Räumlichkeiten des ehemaligen Wartesaals 1. und 2. Klasse mit historischer Kassettendecke werden auf rund 300 qm regelmäßig Ausstellungen zeitgenössischer Kunst gezeigt.
Nach einem anfänglichen Schwerpunkt auf Malerei – hierfür steht u.a. die große Franz Gertsch-Ausstellung im Jahr 2000 – entwickelte sich das Programm unter seinen unterschiedlichen Kurator:innen Wilhelm Figger, Nina Möntmann, Mathias Güntner und Ulla Lohmann zunehmend dahin, Entwicklungen der Gegenwartskunst auch medienübergreifend darzustellen und themenbezogen Fragestellungen der künstlerischen Produktion zu vermitteln. Davon zeugen beispielsweise Gruppenausstellungen wie Eigene Systeme (2002), Plattform Taubenstrasse (2003) Selbstporträt/Identität (2004) oder Pflanzendialoge (2006).
Im Januar 2007 veranlasste Tim Voss als neuer künstlerischer Leiter, seit 2008 gemeinsam mit Britta Peters, abermals eine Verschiebung der Ausstellungspraxis: Im Mittelpunkt des durch ihn initiierten und über zwei Jahre angelegten Ausstellungszyklus Reihe:Ordnung stand der Versuch, den Zugriff zeitgenössischer Künstler:innen und –gruppen auf gesellschaftliche relevante Themen wie Arbeit, Liebe, Geld, Sex, Macht, Freiheit und Zukunft, so die Untertitel der insgesamt sieben realisierten Ausstellungen, nicht durch eine Zusammenstellung von bestehenden Werken zu repräsentieren, sondern anhand von komplexen Installationen unmittelbar erfahrbar zu machen.
Unter der Leitung von Britta Peters und Marie Luise Birkholz in Zusammenarbeit mit Anna Goetz im Jahr 2010 lag der Schwerpunkt auf einer Erweiterung und Kontextualisierung der Ausstellungsebene durch die im MAGAZIN bereitgehaltenen Bücher, Bilder, Texte und Informationen. Gleichzeitig fand durch die Herausgabe eigener Publikationen mit den ausstellenden Künstler:innen eine mehrfache Rückkopplung statt: Die durch den Kunstverein aufgelegten Künstler:innenbücher gingen in die eigene Sammlung ein und bleiben dort lebendig, genauso wie sich mit ihnen die in der Ausstellung begonnenen Auseinandersetzung mit der vorgestellten künstlerischen Position an einem anderen Ort fortsetzen lässt.
Von 2011 bis 2013 stand der Kunstverein unter der kuratorischen Leitung von Isabelle Busch und Franziska Solte, die sich verstärkt einem internationalen Programm widmeten. Dies spiegelte sich unter anderem in ihrer Antrittsausstellung Is This Where It Ends? mit Sunah Choi und Haroon Mirza wider. Die Anbindung an lokale Künstler:innen ging dabei jedoch nicht verloren: In der Ausstellungsreihe Am Piano (2012) wurden junge Hamburger Künstler:innen eingeladen, in den Räumlichkeiten des Harburger Kunstvereins Kabinettausstellungen zu entwickeln. Begleitend zu jeder Ausstellung fanden Filmabende in dem von Jesko Fezer gestalteten Kino statt.
Anna Sabrina Schmid war von 2014 bis 2016 für das Programm des Kunstvereins verantwortlich. Aus einer intensiven Zusammenarbeit mit internationalen Künstler:innen entstanden unter ihrer Leitung raumgreifende Einzelausstellungen und Neuproduktionen mit konzeptionellen, raumbezogenen und performative Ansätzen, die insbesondere auch auditive Elemente integrieren. Daher wurde zu den Ausstellungen mit Kasia Fudakowski, Daniel Laufer, Hannah Weinberger oder Ruth Buchanan anstelle eines Katalogs eine Schallplatte produziert und auf dem Kölner Label Apparent Extent herausgegeben. Parallel zu den Ausstellungspräsentationen entstand ein temporärer Raum für historische und aktuelle Tonveröffentlichungen, eine Phonothek und Materialsammlung mit dem Titel Recordings, die gemeinsam mit dem Kulturanthropologen und Musik-Kurator Nguyen Phuong-Dan entwickelt und realisiert wurde. Wortbeiträge und das Live-Programm Music From High Wires, in Kooperation mit Kampnagel Hamburg, ergänzten die Phonotek. Der Kunstverein Harburger Bahnhof wurde von Anna Sabrina Schmid nicht nur als Ausstellungsraum und Bühne verstanden, sondern auch als Proberaum und Produktionsraum. Der Kunstverein wurde unter ihrer Leitung mit dem ADKV-ART COLOGNE Preis für Kunstvereine 2016 ausgezeichnet.
Das Programm von Lisa Britzger und Jennifer Smailes, die von 2016 bis 2018 den Kunstverein leiteten, ging aus vom Kunstverein als Raum, der als Teil des Systems der Kunst in verschiedene gesellschaftliche Strukturen eingebunden ist. Mit den Mitteln der Kunst wurden Gebrauch, Nutzen und gesellschaftliche Effekte künstlerischer Praktiken für Politik, Wissenschaft oder Wirtschaft erprobt. Drängende Themen unserer Gegenwart wie Migration, Stadtplanung und die Frage nach zukünftigem Zusammenleben sowie alltägliche wie unsichtbare Globalisierungseffekte und ihre Folgen wurden in Projekten untersucht, die kollaborative, unternehmerische, gestalterische und kommunikative Ansätze künstlerisch integrierten und als Fragen zurück in den gesellschaftlichen Raum reflektierten.
Kunstverein Harburger Bahnhof
(im Bahnhof über dem Fernzuggleis 3)
Öffnungszeiten Die-So, 14-20 Uhr